In den beiden Albumwerken „Kak na kievskom vokzale“ (dt. „Einst am Kiewer Bahnhof“) und „Kartinki s vystavki“ (dt. „Bilder einer Ausstellung“) inszeniert Tamara Ivanova einen harten Kontrast zwischen der naiv beschaulichen Ästhetik folkloristisch anmutender Bilder, bzw. den Anspielungen auf Meisterwerke der Kunstgeschichte auf der einen Seite sowie den satirischen, bisweilen derb-obszönen Kommentaren im begleitenden Text auf der anderen Seite.
Ein zentrales gestalterisches Element auf sprachlicher Ebene stellen hierbei die so genannten „Tschastuschki“ dar: ein spezifisch russisches volkstümliches Verslied-Genre bestehend aus meist vier kurzen gereimten Zeilen, die ursprünglich zu instrumentaler Begleitung gesungen wurden. Populär geworden und große Verbreitung gefunden haben die Tschastuschki Ende des 19. Jahrhunderts. Ihren dörflichen Charakter, die Behandlung von Alltagsthemen bis hin zum Kritischen, ihr politisch-subversives Potential haben die Tschastuschki seitdem beibehalten und zu Zeiten der Sowjetdiktatur nicht selten auch in Richtung des Dissidenten, von der herrschenden Kultur Verfemten hin ausgebaut.
Ivanova greift in ihrem Album (v.a. mit „Einst am Kiewer Bahnhof“) allerdings weniger auf die explizit politische Ebene, als vielmehr auf den eher derb-obszönen Variantenschatz der Tschastuschki zurück. Nicht selten findet dabei der so genannte Mat, eine Art russische Vulgärsprache, die lexikalisch sehr stark auf den Sexualbereich zurückgreift und die im Kontext der Hochsprache hochgradig tabuisiert ist, Verwendung. Im Kern portraitiert sie absurde, anzügliche Situationen deren ästhetische Wirkungsmechanik v.a. darauf beruht, dass die Verwendung des Mat als extrem verpönt und unverschämt angesehen wird.
In den beiden Werken erkundet die Künstlerin letztlich in einem postmodernen Spiel mit den Grenzen künstlerischer Freiheit und ausdrücklich vor dem Hintergrund historischer Bezüge zur künstlerischen russischen Tradition das Reservoir postsowjetischer, ästhetischer Kreativität.